Zur Geschichte des Namens:
Ob es sich beim Größenwahn um eine produktive Kraft handelt oder eher um eine destruktive, muss nicht entschieden werden. Das „Cafe Größenwahn“ ist nämlich eindeutig bestimmt, weil es auf den Volksmund zurückgeht, der terminologisch nicht zu Missverständnissen neigt.
Zuerst verpasste er diesen Namen am Ende des 19. Jahrhunderts dem „Cafe Griensteidl“ in Wien, direkt gegenüber der Hofburg. Der Volksmund fand dies angemessen, weil das „Griensteidl“ ein bevorzugter und bald berüchtigter Treffpunkt der Literaten war, die in endlosen Diskussionen und Streitereien neue Welten entwarfen - darunter Arthur Schnitzler, Karl Kraus, Hugo von Hoffmansthal, Fritz Kreisler, Arnold Schönberg, Stefan Zweig, Ludwig Anzengruber, Felix Salten und Hermann Bahr -. Aber bereits 1897 wurde das Griendsteidl „demoliert“ (abgerissen) und der Größenwahn verlor sein Café in Wien.
Was in Wien zum Ausgang des 19. Jahrhunderts das Café Griendsteidl gewesen war, das war in München zu Beginn des 20. das "Café Stefanie". Auch bei diesem Etablissement kam der Volksmund zu keinem anderen Befund. Unter den Gästen: Graf Keyserling, Frank Wedekind, Roda Roda und Ernst Toller. In München währte die Cafezeit des Größenwahn nur bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Schließlich wurde in Berlin noch vor dem Ersten Weltkrieg das "Café des Westens" mit diesem Attribut bedacht.
Berlin blieb auch nach dem Kriege die Heimstatt dieses Titels. Allerdings gab es noch einen Umzug vom „Cafe des Westens" in das „Romanische Café", denn der alte Wirt war der Künstler, die wenig verzehrten und noch weniger zahlten, überdrüssig und vertriebe sie. Im "Romanischen Café" fand diese Kundschaft ein neues Zuhause. Das "Café Größenwahn" hatte dort eine wunderbare Zeit, die bis zum Ende der Zwanziger Jahre währte - Edmund Edel, Max Reinhard, Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam, Alfred Döblin, Tilla Durieux Max Slevogt, Billy Wilder, Alfred Flechtheim, Bertolt Brecht, Kurt Weill, Egon Erwin Kisch, Kurt Tucholsky und viele andere Künstler verleihten dieser Stätte ihren Glanz.
50 Jahre war das „Café Größenwahn" dann "demoliert". 1978 haben wir in Frankfurt ein neues entstehen lassen. Das lag sicherlich daran, dass wir, die wir aus der Studentenbewegung kamen, im Großen und Ganzen die Kriterien, die der Volksmund an ein solches Café stellt, erfüllten.
Die Welt wollten wir verändern und wir begannen damit im Wirtshaus. Der Ort war nicht schlecht gewählt. 1905 war in diesem Haus die erste Gaststätte eröffnet worden. Sie trug den Namen "Die Fackel", benannt nach der gleichnamigen Zeitschrift Karl Kraus, einem treuen Besucher des Café Griensteidl. Zwar wurde bereits 1908 die Gaststätte in ein allzu prosaisches "Zum Flicke Karl" umbenannt, aber ein, wenn auch äußerst dünner Traditionsfaden verbindet uns dann doch mit dem ersten "Cafe Größenwahn".
Was die Definition des "Größenwahns" betrifft, so folgen wir Sigmund Freud, der ihn als die Regression in eine frühkindliche Entwicklungsphase, also nicht als ein Bewusstsein des Herrschenkönnens, sondern als die Empfindung, dass man alles besitzt, was man sich wünscht, mithin als einen Zustand vollendeter Zufriedenheit bestimmt hat. Damit aber ist der Größenwahn zweifellos die gastronomische Tugend schlechthin, eine perfekte Beschreibung des Arbeitsauftrages eines Wirtes: Die Gäste bei moderater Regression in den Zustand vollendeter Zufriedenheit zu versetzen. Wir hoffen, dass wir dem Namen keine Schande bereiten.